
«Essen, Cola?», fragt Walter Bucher, 53, kaum hat das Motorschiff Winkelried vom Landungssteg 1 in Luzern abgelegt. «Bald», antwortet Sebastian Grunske. Walter nimmt es mit zustimmenden Geräuschen zur Kenntnis.
Sebastian ist einer von Walters Betreuern in der Wohngruppe Zuberhus in Hergiswil bei Willisau. Wenn Sebastian mit Walter spricht, versteht Walter vieles – er selbst jedoch kann sich nicht in Alltagssprache ausdrücken. Walter hat Trisomie 21 und er kommuniziert mit einzelnen Worten, Gesten und Gebärden.
GEBÄRDEN NACH «PORTAS» | Menschen mit einer schweren geistigen oder mehrfachen Behinderung können sich oftmals nicht in unserer Alltagssprache ausdrücken. In der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL kommen daher im Alltag unter anderem die Gebärden nach „PORTAS“ zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine spezifische Form der Gebärdensprache, die von Anita Portmann zusammen mit den Gebärden der Institution Tanne entwickelt wurden. Nebst den Gebärden werden im Alltag auch diverse Hilfsmittel eingesetzt. Dies können optische, körpereigene oder auch elektronische Hilfsmittel sein. Zusammengefasst werden diese unter dem Begriff «unterstützte Kommunikation».
Heute ist ein besonderer Tag für Walter Bucher: Sein Wunsch wird erfüllt. Wenn die Bewohnerinnen und Bewohner der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL einen Herzenswunsch haben, wird dieser ausgeschrieben – beim Eingang der Cafeteria in Rathausen hängen Bilder und Zeichnungen mit Wünschen, die der Erfüllung harren. Sobald eine Passantin oder ein Passant die mit dem jeweiligen Wunsch verbundenen Kosten übernimmt, werden die Wünsche erfüllt. Walter Bucher hat Glück gehabt: Auf die Erfüllung seines Wunsches, eine Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee, hat er nicht lange warten müssen. Heute nun geniesst er.
Cola mit Dessert
Sebastian hat Walter schon auf den einen oder anderen Ausflug begleitet. Er beschreibt den 53-Jährigen als eine interessante und aufgeschlossene Persönlichkeit, die auch gerne mal Schabernack treibt. «Manchmal blitzt der Schalk aus seinen Augen», schmunzelt er. «Walter hört gerne Musik und tanzt dazu und er geniesst es, im Garten oder im Wald zu sein.» Walter Bucher sei sehr gern mit verschiedenen Verkehrsmitteln unterwegs und er geniesse es, auswärts eine Cola zu trinken und dazu ein Dessert zu essen, erzählt Sebastian weiter. Er sitzt neben Walter Bucher auf einer Schiffsbank und geht mit ihm die Stationen des Ausflugs nochmals durch: «Heute haben wir schon einen Bus benutzt, sind mit dem Zug gefahren und jetzt fahren wir mit dem Schiff.» Walter Bucher quittiert mit zustimmenden Geräuschen. Dann stehen die beiden auf und gehen an die Reling. Walter nimmt seine Mütze vom Kopf und gibt sie Sebastian – sie soll nicht weggeblasen werden vom Fahrtwind. Denn das Motorschiff Winkelried hat inzwischen mächtig Fahrt aufgenommen. Bei prächtigem Sonnenschein ziehen Inseli und Richard-Wagner-Museum vorbei, im Hintergrund thront der noch schneebedeckte Pilatus. Einen schöneren Tag hätten Sebastian und Walter sich für ihre kleine Reise nicht aussuchen können! Walter Bucher wiegt seinen Kopf im Fahrtwind denn auch hin und her. «Er fühlt sich wohl», sagt sein Betreuer.
Eine Fotocollage als Erinnerung
Ab und zu zückt Sebastian seine Kamera und macht ein Foto – als Erinnerung für Walter. «Im Anschluss an seine Wunscherfüllung werden wir eine Collage gestalten, die er als Erinnerung in seinem Zimmer aufhängen kann», erklärt er. So kann Walter sich noch lange an dem Erlebnis freuen.
Walter Bucher lehnt sich inzwischen weit über die Reling. Der Schiffsbug durchpflügt das Wasser des Vierwaldstättersees, Gischt spritzt auf – das fasziniert ihn. Er kann sich kaum daran sattsehen. Doch Sebastian klopft auf seine Schulter: «Walter, komm mal ein wenig weiter nach hinten!», sagt er. Walter macht einen Schritt zurück und setzt sich neben Sebastian auf eine Bank. «Essen», sagt Walter, und führt seine Hand zum Mund, «Cola.» Sebastian erwidert: «Bald gibt’s Essen und auch eine Cola.» Walter ist zufrieden, sein Blick schweift über die vorbeiziehende Landschaft.
«Nächster Halt Hertenstein», dröhnt es aus dem Lautsprecher. Das Schiff wird langsamer und Walter setzt seine Mütze wieder auf. «Macht es Spass, das Schifffahren?» fragt Sebastian ihn. «Ja» – Walters Antwort kommt schnell und entschieden.
Nächster Halt Weggis
Das Motorschiff hat wieder Fahrt aufgenommen. Sebastian und Walter stehen auf, Sebastian weist mit einem Finger in die Ferne. «Da fahren wir hin, nach Weggis», erklärt er Walter. «Essen? Cola?», fragt dieser abermals. Geduldig antwortet Sebastian: «Ja, bald.»
«Nächster Halt Weggis, Station Weggis.» – «Jetzt steigen wir aus, komm!», sagt Sebastian und hilft Walter, den Rucksack anzuziehen. Die beiden stehen auf, gemeinsam verlassen sie das Schiff und spazieren gemütlich zu einem nahegelegenen Restaurant. Hier kann Walter endlich sein Essen mit Cola geniessen!
Diesen Artikel verfasste ich für die Juni-Ausgabe des Magazins „z’mitts drin“ der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL.
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