
Die international bekannte Luzerner Opernsängerin Regula Mühlemann engagiert sich als Botschafterin der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL. Bewusst und gezielt nutzt sie ihre Stimme, um in der Öffentlichkeit über das Thema Behinderung zu sprechen.
Regula Mühlemann, Sie kommen direkt vom Zug aus Mailand und haben morgen Abend einen Auftritt im Kultur- und Kongresszentrum Luzern KKL. Sind Ihre Tage immer so dicht gefüllt? Derzeit ist es tatsächlich gerade etwas intensiv. Ich hatte die Monate März, April und Mai eigentlich schon geplant, als eine Anfrage der Mailänder Scala reinkam. Wenn die Scala anfragt, dann sagt man natürlich nicht Nein. Jetzt ist mein Programm halt ein wenig dicht, alle Auftritte müssen aneinander vorbeikommen. Ich wohne derzeit in Luzern und parallel dazu auch in Mailand, pendle hin und her. Ein so dicht befrachtetes Programm ist jedoch die Ausnahme, es ist nicht das ganze Jahr so.
Wie erholen Sie sich am besten? Einmal im Jahr nehme ich mir im Sommer eine dreiwöchige Auszeit. Ich gehe an einen Ort, an dem ich schon oft war und nicht den Drang verspüre, etwas entdecken zu müssen. So kann ich mich gleich vom ersten Tag an erholen. Diese Auszeit ist mir wichtig: Ich bin ein Mensch, der sehr intensiv lebt. Wenn ich arbeite, dann intensiv. Wenn ich frei habe, mache ich intensiv nichts. Deshalb bin ich manchmal auch schon tief erholt nach nur einem Tag zuhause. Ich kann mich richtig ins Nichtstun reingeben und es geniessen.
Sie sind in Adligenswil aufgewachsen, zusammen mit Ihrer Schwester Melanie, die Trisomie 21 hat. Wie war es für Sie, mit einer Schwester mit Behinderung aufzuwachsen? Normal. Ich habe ja nicht gewusst, wie es anders wäre. Ich hatte überhaupt nie das Gefühl, dass unsere Geschwistersituation anders ist als die bei meinen Kolleginnen und Kollegen. Es war absolut normal für mich.
Hat die Tatsache, dass Ihre Schwester Melanie
Trisomie 21 hat, einen Einfluss auf Ihre Lebenseinstellung? Hat Sie das geprägt? Ja, es hat mich geprägt, damals unbewusst. Wenn man in dieser Konstellation aufwächst und zusammenlebt, passiert sehr viel auf einer Ebene, die man nicht bewusst wahrnimmt. So war es für mich normal, sehr offen, ehrlich und immer transparent zu sein. Da Menschen mit Trisomie 21 so sind, bin ich damit aufgewachsen, dass man Dinge anspricht, nichts verdrängt und nichts voreinander verheimlicht. Melanie hat mir sehr dabei geholfen, Emotionen zu zeigen. Ich getraue mich, ehrlich zu sein. Und ich bin überzeugt, dass sich das in meinem Beruf extrem positiv auswirkt.
Erinnern Sie sich an ein konkretes prägendes Ereignis aus Ihrer Kindheit? Dank Melanie lief immer etwas bei uns – stets gab es etwas zu bereden oder gemeinsam zu belachen. Sie belebte unseren Alltag und hat immer genau gespürt, was vor sich geht. Ich erinnere mich gut an meine Teenagerzeit. Auch ich hatte manchmal schwierige Phasen, in denen mir irgendjemand auf den Nerv ging. Das hat Melanie immer exakt gespürt und gefordert: «Ihr zwei müsst euch umarmen.» Sie liess jeweils nicht locker, bis wir es taten – wir mussten «Frieden machen». Sowas ist natürlich fantastisch, es gibt ja nichts Schöneres, als Frieden zu schliessen. Ich glaube, Melanie ist ein Grund dafür, dass ich das Leben grundsätzlich positiv sehe.
Wie ist es, wenn Sie Ihre Schwester heute besuchen? Wir haben eine sehr enge Verbindung. Wir telefonieren miteinander, wenn ich weg bin. Sie sagt, dass sie mich vermisst und ich vermisse sie auch. Es ist mir wirklich ein grosses Bedürfnis, sie zu treffen, auch wenn ich nur kurz zuhause bin. Es braucht dann auch gar nicht so viel, es genügt, zusammenzusein, zusammen zu reden und einander wieder einmal gesehen zu haben. Dann hält man es wieder eine Zeitlang ohne einander aus.
Was tun Sie am liebsten mit Ihrer Schwester zusammen? Manchmal gehen wir ins Kino oder schauen eine Fernsehsendung. Wichtig ist, gemeinsam Zeit zu verbringen. Manchmal hören wir Musik, oder spielen Uno oder sonst etwas. Wenn ich zum Essen nach Hause zu meinen Eltern gehe und Melanie ist auch da, finde ich es schön, wie sie neuerdings auch nach dem Essen lange am Tisch bleibt und mit uns spricht. Es gab eine Zeit, in der ich das Gefühl hatte, dass sie unseren Gesprächen nicht zu folgen vermag. Dann wurde es ihr irgendwann langweilig und sie ist verschwunden. Das hat sich sehr verändert. Sie beteiligt sich nun an den Gesprächen und unterhält manchmal die ganze Tischgesellschaft. Es ist extrem viel gegangen in ihrer Entwicklung, das macht es einfacher, mit ihr über ihr Leben zu sprechen. Früher musste man sie manchmal richtig ausquetschen, damit sie irgendetwas erzählte. Heute gibt es Momente, in denen sie ins Erzählen
kommt. Manchmal vertraut sie mir als Schwester auch Dinge an, die sie den Eltern noch nicht erzählt hat. Ich finde das mega schön.
Regula Mühlemann, Sie sind Botschafterin der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL. Was bedeutet Ihnen dieses Engagement? Man könnte sich ja für unglaublich viele Dinge engagieren, doch auch meine Ressourcen sind begrenzt. Die beiden Themen, die mir am wichtigsten sind, sind Musik und Menschen mit Behinderung. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, meine Stimme zu nutzen, um über das Thema Behinderung zu sprechen. Als ich zum ersten Mal in der Presse über meine Schwester erzählt habe, wusste ich, dass ich fortan immer wieder darauf angesprochen werde. Wissen Sie, mich beängstigt es manchmal, wie sich unsere Gesellschaft in Richtung Perfektion bewegt, all die schönen Sachen werden genormt und Individualität geht verloren.
Mit meinen Erfahrungen möchte ich beispielsweise Menschen, die ein Kind mit Trisomie 21 erwarten oder geboren haben, Mut machen. Ich finde es wich- tig, dass die Leute wissen, was es heisst, mit jemandem zu leben, der eine Behinderung hat. Sicher ist es nicht immer einfach. Aber es ist sehr bereichernd und es gibt so viele positive Erlebnisse. Ich finde es extrem wichtig, dass ich das erzähle, darüber rede und kommuniziere, wie schön das ist.
Vor ein paar Monaten haben Sie zusammen mit Bewohnerinnen und Bewohnern der SSBL musiziert und gesungen. Wie kam es dazu? Das war ein erster Event für mich als Botschafterin der SSBL. Eine solche Art der Begegnung kann, wenn man sich noch nicht kennt, anfänglich manchmal etwas unangenehm sein. Auch Menschen mit Behinderung können schüchtern sein. Ich auch – man glaubt es kaum (lacht). Doch das Medium Musik hat vieles erleichtert, der Funke ist gleich gesprungen, es ging um Emotionen und wir waren alle miteinander verbunden. Es war einfach herrlich!
Ganz herzlichen Dank, Regula Mühlemann, für
dieses offene Interview. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und bedanken uns sehr für Ihr Engagement als Botschafterin der SSBL.
Dieses Interview habe ich für die Juni-Ausgabe des Magazins „z’mitts drin“ der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL mit Regula Mühlemann geführt.

WIE DARF ICH SIE UNTERSTÜTZEN?
Wer sich eine Meinung über ein Unternehmen, eine Organisation oder ein Produkt bilden möchte, sucht Vertrauen. Geschichten vermitteln Werte und Botschaften, die dieses Vertrauen schaffen. Geschichten in Wort und Bild sprechen nicht allein den Verstand, sondern auch das Gefühl an. Das können rationale Argumente nicht.
Multimediale redaktionelle Inhalte
Mit Geschichten das Herz berühren – dieses Ziel verfolge ich in Wort und Bewegt-Bild (Videos). Ich plane, entwickle und erstelle multimediale redaktionelle Inhalte: Storys für Printmedien und Social Media. Mit Text- und Bildkompetenz entwickle ich für Sie zielgruppengerechten qualitativ hochwertigen Content. Mehr dazu
Kontaktieren Sie mich!
Möchten Sie die Kraft guter Geschichten nutzen? – Ich unterstütze Sie gerne mit Storytelling in Text oder Video. Kontaktieren Sie mich unverbindlich noch heute. Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen!
Hinterlasse jetzt einen Kommentar